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Viren halten sich nicht an Staatsgrenzen – One Health

Beatrice Moreno

Was in Deutschland weitgehend bei der gesundheitsbezogenen Versorgung während der Covid-19-Pandemie problemlos möglich war, ist für andere Regionen der Erde keineswegs eine Selbstverständlichkeit. So können in vielen Ländern nicht ausreichend Beatmungsgeräte bereitgestellt werden, um die erkrankten Menschen adäquat zu versorgen. Die Folge ist, dass eine beachtliche Zahl der Erkrankten mit akuter oder chronischer respiratorischer Ermüdung nicht adäquat behandelt werden kann.

Hauptgrund für diese Ungleichverteilung in der Versorgung ist die schlichte Tatsache, dass nicht jedes Gesundheitssystem und nicht jede erkrankte Person sich die hochpreisigen Beatmungsgeräte leisten kann. Der nachhaltige Zugang zu dieser Gesundheitsleistung für alle Menschen, die diese Beatmungsform zum Überleben benötigen, kann zudem nicht durch einzelne karitativen Spenden aus reichen Industrieländern garantiert werden. Die Covid-19-Pandemie hat unser Blick auf die globalen Unterschiede im Zugang zu Gesundheitsleistungen geschärft. Was ist nun zu tun, wenn es sich um eine Pandemie handelt und sich Viren nicht an nationale Grenzen halten?

Das fragte sich eine Gruppe von engagierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Barcelona zu einer Zeit, in der Spanien eine hohe virusspezifische Sterblichkeit zu verzeichnen hatte. Die spanische Arbeitsgruppe folgte dabei einem einfachen Prinzip, welches schon Mies van der Rohe propagierte: „Less is more“. Sie analysierten die grundlegenden Bestandteile der Beatmungsgeräte und bestellten per Internet die wichtigsten technischen Bausteine. Die publizierte Liste hört sich nach Elektronikgroßmarkt an.

1.    1 X WM7040 Ning Bo Feng Hua Wie Cheng Motor Factory, Zhejiang, China (high pressure blower inklusive Treiber);

2.     2 X XGZP6847005KPG, CF-Sensor, Wuhu, Anhui, China (pressure transducer)

3.    Arduino Nano Controller mit einem Digital-Dysplay

Für die so entstandene prototypische Entwicklung investierte die Arbeitsgruppe gerade mal rund 75 US$. Die Bezugsquellen räumten sogar Mengenrabatt ein, falls ein „Durchbruch“ kommen sollte. Die notwendige Maske zur Beatmung ließ sich über einen 3D-Drucker schnell und kostengünstig herstellen. Der einfache, aber sehr konkrete Konstruktionsplan wurde der interessierten Öffentlichkeit als zip-Datei zur Verfügung gestellt.

Nun, es ist nicht ungewöhnlich, dass sogenannte „Maker“, Elektronik-Tüffler und IKT-Studierende Grundprinzipien der Medizintechnik aus verschiedenen Motivationen heraus nutzen, um das Leben einzelner Personen mit technischen Assistenzen lebenswerter zu gestalten. Doch die Gruppe aus Barcelona ging weiter: Sie wollte die Arbeitsweise dieses sehr einfachen Beatmungsgerätes auch überprüfen, zunächst an einem Lungenmodell, später durch die Simulation der unterschiedlichen Atmungsformen und der entsprechenden Störungen, wie im richtigen Leben. Letztere Testung wiederholte die Gruppe um den Hochschulprofessor Ramon Farré sechzehn Mal in verschiedenen Konstellationen. Das Verblüffende an dieser Vorgehensweise war, dass die Gruppe die technischen Bestandteile offenherzig mit detaillierter Gerätebeschreibung und Herstellername publizierten. Keine Abstraktionen und Brand-Verhüllungen, die Zeit kosten. Dieser Versorgungsansatz will Leben schützen und keine Marken.

Das ist keineswegs ein übliches Vorgehen in der medizintechnischen Entwicklung und so ähnelt die Publikation der renomierten Universität in der Hauptstadt Kataloniens in einzelnen Passagen einer Anleitung zum Nachstricken.

In einem weiteren Schritt wurde ihr Beatmungsgerätprototyp an 12 gesunden Probanden und Probandinnen getestet, alle freiwillig versteht sich. Die Ergebnisse sind angesichts der kleinen Fallzahl mit Vorsicht zu genießen.

Das ist den Feldexperten und -expertinnen klar und dennoch hat diese Studie hohe Wellen geschlagen, hat unsere bisherige Betrachtungsweise völlig umgekrempelt. Hightech ist gut, darf aber nicht die Preise diktieren, wenn es um das Überleben von Menschen geht. Diese Botschaft gehört zur neuen Realität nach Corona.

 

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